Warum intus3 Beziehungslernen gerade heute?

Helga Breuninger, Februar 2025

Als Bildungsstifterin möchte ich mit intus3 Beziehungslernen in diesen herausfordernden Zeiten einen Beitrag zur Stärkung von Demokratie und Bildungsgerechtigkeit leisten.

Schulen sind ein wesentlicher Akupunkturpunkt unserer Gesellschaft. Kinder, die sich in der Schule nicht wohlfühlen, leisten deutlich weniger. Wenn sie dort Demokratie erleben und spüren, wie es sich anfühlt, gesehen, gewürdigt und beteiligt zu werden, werden sie sich als erwachsener Bürger:innen für eine liberale Gesellschaft stark machen. Julian Nida-Rümelin und Klaus Zierer benennen es in ihrem Buch Demokratie in die Köpfe als zentrale Aufgabe von Schule, demokratische Werte und Handlungsmuster zu vermitteln.

Wissenschaftliche Perspektiven auf Bildungsgerechtigkeit

Der Migrationsforscher Aladin El-Mafaalani beschreibt die Herausforderungen einer alternden und superdiversen Gesellschaft. In seinem mit den Co-Autoren Strohmeier und Kurtenbach jüngst veröffentlichten Buch Kinder – Minderheiten ohne Schutz fasst er zusammen, was Kinder aus bildungsfernen Milieus und mit Fluchterfahrung benötigen, um gut zu lernen, sich zu entwickeln und in die Gesellschaft zu integrieren. Dabei bezieht er sich auf kanadische Studien zu Wellbeing sowie auf den UWE-Fragebogen zur Bildungsgerechtigkeit.

Im Haltungswechsel von Lehrkräften sieht er einen wirkmächtigen Faktor. Empirische Studien zeigen, dass Kinder im Bildungssystem bessere Chancen haben, wenn Lehrkräfte wertschätzende Beziehungen aufbauen und sich als Bindungspartner verstehen. Dies ist vor allem für benachteiligte Lernende wichtig. Der Neurowissenschaftler Joachim Bauer bezeichnet diese Rolle als „Nachbeelterung“. Bereits eine zugewandte, interessierte Bezugsperson in der Schule kann messbar die Gesundheit, das Selbstwertgefühl und den schulischen Erfolg von Schüler:innen steigern.

Haltung reflektieren, autoritäre Handlungsmuster durchbrechen

Wie lässt sich nun ein wertschätzendes, multifunktionales Verständnis für die Rolle der Lehrkraft mit einer demokratischen, d.h. gleichwürdigen Haltung in der Aus- und Weiterbildung vermitteln? Kognitives, rationales Erkennen und Verstehen reichen dafür nicht. Es braucht praktisches Erleben, Erfahren und eine Reflexion der eigenen Biografie, damit neues Wissen verhaltenswirksam wird, gerade auch in unerwarteten Situationen und herausfordernden Konflikten.

Traditionelle Beziehungen zwischen Lehrkräften und Kindern sind in unserem Bildungssystem immer noch autoritär und hierarchisch angelegt. Wir alle haben mehr oder weniger häufig solche Erziehungspraktiken als kulturelles Erbe selbst erfahren, d.h. wir wurden bestraft, gedemütigt und beschämt oder haben es bei anderen gesehen.

Sigmund Freud hat schon 1920 den Widerholungszwang erkannt und beschrieben, wie wir ohne Reflexion die Haltung und Muster unserer Bezugspersonen verinnerlichen und in überraschenden bzw. konflikthaften Situationen unbewusst aktiv austeilen, was wir passiv eingesteckt haben.

Seit 1974 habe ich mit dem Wahrnehmungspsychologen Prof. Betz zusammengearbeitet, mit ihm an der Universität Essen das Essener Modell der Lehrkräftebildung aufgebaut und darüber mit „Lernziel Beziehungsfähigkeit“ promoviert. Er hatte mit dem „Wirkungsgefüge des Lernens“ den engen Zusammenhang zwischen Fühlen und Denken beim Lernen vorweggenommen, der 20 Jahre später von dem Neurowissenschaftler Antonio Damasio erkannt wurde. Inzwischen ist es empirisch erforscht: Es kommt auf die Lehrperson an, denn gelingende pädagogische Beziehungen, Schulerfolg und Resilienz hängen eng zusammen.

Daran anknüpfend entwickelte ich ein Trainingskonzept auf der Basis des Wirkungsgefüges des Lernens, um die Erkenntnisse vieler empirischer Metastudien zur Bildungsforschung verhaltenswirksam in der Lehrkräfteaus- und -weiterbildung umzusetzen. Ein Meilenstein für die Weiterentwicklung dieses Trainingskonzeptes war das Erstellen von Staged Videos.

Lernen durch Beobachten und Erleben

Diese Staged Videos machen die Haltung und das Verhalten der Lehrperson ebenso wie die Wirkung dieser auf Kinder, Jugendliche und die Lernatmosphäre sichtbar.

Die ersten Staged Videos sind 2012 in enger Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg für die Gemeinschaftsschulen entstanden. Dominante Bestrafungsmuster und wertschätzende dialogische Interventionen können mit den Staged Videos selbst erlebt, beobachtet und reflektiert werden. Sie machen nachvollziehbar, wie es Lehrkräften gelingt, Schüler:innen in konflikthaften Situationen zu aktivieren und zu beteiligen, anstatt sie zu disziplinieren und zu belehren. Diese positive Wirkung wohlwollender und wertschätzender Beziehungen auf die Kinder und die Lernatmosphäre vermittelt sich dem empathischen Betrachter der Videos intuitiv. Das wirkt nachhaltiger als das bloße Wissen um negative Folgen disziplinierender Praktiken auf die Persönlichkeitsentwicklung.

Wie man bei auffälligem Verhalten in der Verbindung bleibt, pädagogisch verantwortungsbewusst umgeht und Konflikte deeskaliert, zeigen wir in unseren Videos aus 2023, die mit dem Schulpsychologen Klaus Seifried und einem inklusiven Gymnasium in Berlin entstanden sind.

Kooperationen und wissenschaftliche Begleitung

Mit der Universität Potsdam, den Schulämtern in Brandenburg, dem NLQ in Niedersachsen und dem Studienseminar in Saarbrücken gibt es bereits eine langjährige Zusammenarbeit und eine große Bereitschaft, mit unseren intus3 Trainer:innen und unseren Trainingskonzepten zu arbeiten. Zudem ist die Wirksamkeit der Videos Teil eines Mixed-Method-Designs, das im Rahmen eines von der Leibniz Universität Hannover begleiteten Forschungsprogramms in Niedersachsen untersucht wird.

KI-Bots als digitale Trainer und Coaches

Seit 2024 nutzen wir die Möglichkeiten generativer KI zur individuellen Anleitung, Beratung und Unterstützung von Lehrkräften, die wertschätzende Haltung im Schulalltag zu leben. Die Bots begleiten die Lernenden wie ein Meister seinen Gesellen bei der Umsetzung.

6 Bots, die nach meinem Konzept arbeiten, sind bereits im Einsatz. 2 weitere Bots sind mit Praktiker:innen, Wissenschaftler:innen und anderen Vordenker:innen im Entstehen, um ihre Erfahrung und Expertise ins Feld zu bringen. Seiten- und Quereinsteiger:innen in Brandenburg arbeiten bereits mit diesen Bots, um auf Unterrichtsstörungen im Sinne der neuen Autorität beziehungskompetent zu reagieren.

Unsere Selbstlerntrainings und die KI-Bots sind für alle Lehrkräfte ein Tool zur Professionalisierung und Reflexion ihrer pädagogischen Haltung. Für angehende Lehrkräfte sowie Seiten- und Quereinsteiger:innen sind sie ein „training-on-the-job“ zur pädagogischen Qualifizierung und Weiterbildung.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie nun neugierig geworden sind.

Auf unserer neuen Website können Sie sich ausführlich über unsere Angebote informieren: www.intushochdrei.de